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Manchmal gibt es im Leben offene Kapitel: Ein Vorhaben, dass nicht gut zu Ende gebracht werden konnte, eine Beziehung, die komisch endete, oder eine Reise, die nie angetreten wurde.

Offenen Kapitel fühlen sich nicht gut an

Denn es gibt keinen richtigen Abschluss, es fühlt sich einfach nicht rund an und jedes Mal wenn du daran denkst ist da innerlich dieses kleine genervte Schnauben. Manche offene Kapitel sind richtige Wunden. Verletzungen, die du nicht aufgearbeitet hast, oder Enttäuschungen, die du nicht richtig verwunden hast. Das bringt niemanden um, denn das ist ja alles schon ewig her. Es stört im Alltag auch nicht weiter, und ist eigentlich auch keine große Sache. Trotzdem ist klar, da steht noch was aus.

Wie für mich z.B. nach Prag zu fahren. Denn eine Weisheitszahn-OP mit anschließender Entzündung hat mir die Abifahrt dorthin verhagelt. Und 20 Jahre später denke ich immer noch, dass ich das mal nachholen sollte. Um ein Kapitel zu schließen. Die Erfahrung zeigt nämlich, wie gut es sich anfühlt, Dinge im zweiten Anlauf endlich zu machen. Selbst wenn da Jahre dazwischen liegen.

Jetzt habe ich spontan wieder die Gelegenheit, ein offenes Kapitel weiterzuschreiben. Eines, das bis heute an mir nagt, weil ich es als großes Scheitern erlebt hatte – was nebenbei damals zu einer wahren Identitätskrise führte. Und da stehe ich nun, ungläubig, dass ich einen neuen Versuch wagen kann, dankbar, dass sich diese Tür so unverhofft wieder geöffnet hat und besorgt, dass ich wieder gegen die Wand fahren werde. Ich schwanke zwischen kribbeliger Vorfreude, nervösen Vorbereitungen und der leisen Hoffnung, dass alles gut werden wird. Ich habe mich entschieden, es zu wagen und mich in die Arena zu stellen und zu sehen, ob ich mich dieses Mal behaupten kann. Nicht gegen andere, sondern mich selbst und meine alten Muster. Mal wieder eine Aktion weit außerhalb meiner Komfortzone. Eine echte Challenge also.

Offene Kapitel haben ein ganz eigenes Potential

Das ist das schöne an zweiten Chancen. Sie fordern uns auf, es noch einmal zu versuchen. Nur ist der Startpunkt dabei ein völlig anderer. Ich habe mich in der Zwischenzeit geändert, bin gewachsen und habe gelernt. Ich kann die ganze Sache anders angehen, weil ich über andere oder mehr Möglichkeiten verfüge als früher. In Prag wäre ich damals mit den ganzen Dramen beschäftigt gewesen, die unweigerlich auf Klassenfahrten abgehen. Wenn ich nun fahren würde, würde ich dramafrei mit meinen Lieblingsmenschen fahren und könnte die Stadt genießen. Ein ziemlicher Unterschied, wie ich meine.

Und daher glaube ich mittlerweile, dass offene Kapitel gar nicht so sehr an uns nagen müssen. Ich glaube viel mehr, dass sie nur warten, bis sie weitergeschrieben oder tatsächlich gut geschlossen werden können. Und dann kommt es nicht mehr darauf an, was früher war, sondern auf das, was wir heute daraus machen. Zweite Chancen sind Geschenke des Lebens – und die kann es eben nur geben, weil wir die ersten Chancen verpasst haben.

Was für ein Glück, möchte ich da fast sagen. Denn nun kann ich da wieder ran, Aber eben als der Mensch der ich heute bin und nicht mehr als die, die ich damals war. Ich denke, das was sich daraus ergibt, wird die Enttäuschung damals wert gewesen sein. Oh je, wenn ich da so drüber nachdenke, sollte ich vielleicht doch mal schauen, wie weit Prag von mir weg ist…

Wie ist das bei dir? Welches offene Kapitel würdest du gerne weiterschreiben oder abschließen? Teile es doch in den Kommentaren!

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