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Umgang mit Krisen

Wir alle wissen, dass Krisen zum Leben dazu gehören. Gerade wird mir das in meinem Umfeld mal wieder deutlich vor Augen geführt – gefühlt rappelt es an jede Ecke. Wenn ich mein eigenes Leben anschaue, dann hatte das auch schon die ein oder andere Krise zu bieten. Ich bin sicher, es werden auch noch ein paar kommen, denn niemand entgeht ihnen. Ich habe mir schon oft Gedanken zu den Krisen des Lebens gemacht und bin zu folgendem Schluss gekommen:

Im Angesicht der Krise haben wir genau zwei Möglichkeiten: Daran kaputt zu gehen, oder daran zu wachsen.

Ich weiß, das klingt sehr plakativ, ich möchte aber erklären, was ich damit meine. Schauen wir uns also beide Optionen in Ruhe an.

Daran kaputt gehen

Die erste Möglichkeit ist unheimlich einfach, wenn auch mit hohen emotionalen Kosten verbunden. Die Krise tritt ein, sie haut mich völlig um und wirft mich in ein tiefes Loch. Soweit der normale Ablauf jeder Krise.

Klein kriegt mich die Krise aber dann, wenn ich auf Dauer in diesem Loch gefangen bleibe. Weil ich keine Kraft habe, mich raus zu kämpfen. Weil ich erstarre und mich um nichts mehr kümmere, was neue Probleme produziert, um die ich mich kümmern müsste, wofür ich aber keine Kraft habe… Oder ich bleibe in dem Loch, weil ich mir die falschen Hilfsmittel suche um mich besser zu fühlen (wie zum Beispiel zu viel Alkohol). Das sind Fälle von „kaputt gehen“, die von außen einfach zu erkennen sind, weil Menschen sich zum Negativen verändern, schädliche Strukturen entwickeln, oder – wie die Menschen, mit denen ich früher gearbeitet habe – sozial völlig abrutschen.

Dann gibt es aber noch eine viel subtilere Art von „kaputt gehen“. Nämlich in der Form, dass sich Menschen innerlich betäuben. Damit sie die ganzen unangenehmen Gefühle, die mit so einer Krise einher gehen, nicht spüren müssen. Doch wer negative Gefühle betäubt, betäubt letzten Endes alle Gefühle, wie Brené Brown festgestellt hat. Mit dieser Strategie kann man nach außen hin ein völlig intaktes Leben führen, innerlich ist da aber ein großes Verstummen. Denn unsere Gefühle verleihen dem Leben Farbe und Dynamik, sie abzuschneiden beraubt uns unserer Lebendigkeit. Darunter leidet nicht nur die Lebensqualität, sondern auch die Qualität der Beziehungen zu anderen Menschen. Was wiederum die Lebensqualität negativ beeinflusst…

Daran wachsen

Die zweite Möglichkeit ist unheimlich schwer, aber mit hohem emotionalem Gewinn verbunden. Die Krise tritt ein, haut mich völlig um und wirft mich in ein tiefes Loch. Weil das ist, was in Krisen passiert.

Nun sitze ich also in diesem Loch. Es geht mir schlecht, ich bin überfordert, habe Angst, bin jeder Freude beraubt. Doch mir ist klar, dass das hier gerade ein „Weichen-Moment“ des Lebens ist. Einer der Momente, die entscheiden, wohin die Reise gehen wird. Also gehe ich bewusst mit der Situation um. Stelle mich den unangenehmen Gefühlen, die unausweichlich zu Krisen gehören. Suche mir, wenn es sein muss, therapeutische Hilfe. Stelle mich, falls nötig, meiner eigenen Verantwortung und erkenne an, was ich zum Entstehen der Krise beigetragen habe (zum Beispiel bei einem Burn-out oder einer Trennung). Stelle mein Leben auf den Kopf, verändere mich und mein Verhalten, damit mir das nach Möglichkeit nicht noch einmal passiert. Kurz gesagt: Ich weiche der Scheiße nicht aus, sondern buddel mich mitten durch sie durch. Weil ich weiß, dass es sich lohnt. Weil ich weiß, dass auf der anderen Seite irgendwann wieder Freude wartet.

Es lohnt sich

Krisen sind scheiße und kein Mensch will sie haben! Leider interessiert sie das aber nicht und sie kommen einfach ungebeten und hauen alles kurz und klein. Mir aber in der Krise bewusst zu machen, dass sie eine wichtige Lektion für mich beinhaltet, kann mir irgendwann die Kraft geben aus dem Notfallmodus in den Lern- und Wachstumsmodus zu wechseln. Voller Respekt vor der Zeit, die eine Krise braucht, um überwunden zu werden und voller Vertrauen darauf, dass es mir irgendwann wieder besser gehen wird. Und ich sogar stärker sein werde, wenn ich die Chance nutze, die jede Krise auch bietet. Denn wenn ich eh nichts mehr zu verlieren habe, dann kann ich auch radikale Schritte unternehmen. Denn dann habe ich verdammt viel zu gewinnen.

In diesem Sinne wünsche ich allen Menschen, die gerade mit Krisen konfrontiert sind, ganz viel Kraft, um sie zu überstehen. Ich wünsche ihnen genug Mut, alle Gefühle zuzulassen, die dazu gehören und genug Selbstliebe, um dabei freundlich zu sich zu sein. Und ich wünsche ihnen Menschen, die sie stützen und die für sie da sind.